Inselleben

Unsere Insel scheint in einen Dornröschenschlaf verfallen, die Straßen sind leer wie nie und die Stille schön und manchmal bedrückend. Nicht auszudenken, wenn jetzt statt des guten Wetters jeden Tag auch noch Nieselregen herrschte…..

Meine Gedanken schweifen zurück in die 50er Jahre als es noch beschaulich zuging. Meine Großmutter sagte später, daß 1957 ihre erste ertragreiche Saison gewesen war.

Ab 1932 führte meine Familie in Wenningstedt den “Friesenhof”, den einzigen Gasthof im Ort. Die Saisons waren kurz; wir Kinder konnten unbeschwert auf dem  Dorfteich mit unseren selbstgebauten Flößen schippern oder im Osetal Schlachten gegen die Kampener Jungs austragen. Karge aber schöne Zeiten…

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Unsere Gaststätte hielt das ganze Jahr geöffnet, ab und zu war auch der Saal in Betrieb- Biikebrennen, Petritag, zum Feuerwehrball. Ansonsten gestaltete sich der Winter recht still im Gasthof, Ruhetage gab es nicht, die ganze Familie beschäftigte sich von morgens bis abends im und am Hause. 

Die Hühner gackerten und verlangten ihre Körner, das Schaf mußte gemolken, die zwei Schweine gefüttert und die Öfen mit Koks beheizt werden. 

Meine Mutter beschäftigte sich in der Küche und hatte ein Ohr auf die Gaststätte. Unsere Mahlzeiten nahmen wir zusammen in der großen Küche ein. Meine Großmutter Anna Rohde war die einzige, die Butter aß, wir anderen mußten uns mit Margarine begnügen. 

Oft kamen lediglich wenige Dorfbewohner am Tag herein. Und die holten sich vielleicht nur Zigaretten oder bestellten eine Tasse Kaffee. Für diese Tasse Kaffee wurde eine handvoll Sprickel aus dem Korb unter dem kleinen Winterofen auf die Glut gelegt und Wasser aufgesetzt. 

Ein Lot Kaffee (übrigens 60 Bohnen) mahlten wir mit der Hand, schütteten ihn in den kleinen Rundfilter auf das angefeuchtete Filterpapier und füllten mit kochendem Wasser auf. Danach wurde der Kaffee noch einmal in den Filter zurückgegeben und lief ein zweites Mal durch. Und das alles für 1,30 DM. 

Ich saß vorn in der kleinen Stube an dem großen weißen Kachelofen gemütlich  über meine Schularbeiten gebeugt. Hier machten es sich auch die wenigen Gäste bequem. 

Am Ende des Winters wurde es unruhig im Friesenhof: Frühjahrsputz! Alle Polstersessel schleppten wir raus und klopften und bürsteten sie gründlich. Die roten Kokosläufer wurden auseinandergetrennt, draußen im Schnee und über der Teppichstange gereinigt und mit der Rundnadel wieder zusammengenäht. 

Unser treuer Oberkellner Fiete Maibom aus Wilster traf ein. Wenn der Zug am nahen Inselbahnhof hielt stand er in seinem ewigen dunklen Anzug vor der Tür und nickte den wenigen anreisenden Badegästen zu. Vom Bahnhof aus gesehen waren wir das “1. Haus am Platze”. 

Selten fuhr ein Auto, manchmal ein DKW Tempo Dreirad, vorbei. Man hörte es schon bei der S-Kurve aus der Kampener Richtung mit mäßiger Geschwindigkeit näher kommen, wir guckten raus, wer es wohl war, und  es brummte leiser und leiser, bis es an der Wenningstedter Kreuzung Richtung Westerland verschwand.

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Dann war da wieder diese Stille, damals kannten wir es nicht anders, und heute, in den Zeiten des Coronavirus, meinen wir, sie gar nicht aushalten zu können. Wir sind wieder auf uns selbst zurückgeworfen. Bei aller Sorge sollten wir diese Ruhe auf der Insel genießen – sicher werden eines nicht so fernen Tages wieder viele Gäste mit ihren Autos die Insel stürmen und die Kassen klingeln lassen…..

Niels Rohde