Niels Rohde – Geschichten von früher: „Die Wahl“

Seit jeher fanden Wahlen bei uns im Wenningstedter Gasthaus „Friesenhof“ statt. Früher, das waren noch Zeiten! Am Wahltag waren wir schon um 7 Uhr im Dienst, denn ¼ Stunde später erschienen alle Wahlhelfer und der Wahlvorstand. Nachdem die Truppe vom Wahlvorstand „gebrieft“ worden war, ging die Hälfte wieder nach Hause um mittags wiederzukommen.

Abends um 18 Uhr erschien die erste Schicht wieder, um dann gemeinsam mit den anderen die Wahlzettel zu zählen. Vormittags kamen viele Wähler; man kannte sie alle, zur Briefwahl entschlossen sich damals wenige. Um die Mittagszeit ließ der Betrieb nach, nachmittags wurde der Andrang größer, dieser und jener trank schon mal eine Tasse Kaffee und gönnte sich ein Stück Apfelkuchen. Den hatten wir an diesem Tag immer extra beim Bäcker Jessen bestellt. Mittags beim „Schichtwechsel“ gab es für alle Wahlhelfer Essen, und was für eins! Die Gemeinde zahlte damals noch alles, was wir den Wahlhelfern servierten. Eine Kraftbrühe „Celestine“ vorweg, als Hauptgang Filetsteak „Maître d’hotel“ und zum Dessert Vanilleeis mit Sahne und heißen Kirschen. Dazu flossen etliche Jever Biere, man mußte ja bei Laune bleiben…. 

Am späten Nachmittag füllte sich der Friesenhof, es bildeten sich schon FDP- Anhänger-Gruppen, auch die CDU-Leute und die SPD-ler diskutierten in verschiedenen Ecken, das Bier floß, auch die Wahlhelfer wurden gut mit Getränken versorgt , unser Oberkellner Bernd Deike wollte endlich auch wählen, und bums, da war es schon 1 Minute nach 18 Uhr: zu spät. Es dauerte oft einige Stunden bis das Ergebnis per Telefon zum Kreis durchgegeben werden konnte. Während des Zählens durfte keiner zu den Wahlhelfern aber dieser und jener Neugierige guckte doch mal kurz um die Ecke und erkundigte sich nach dem Stand. Hier fiel immer besonders der langjährige Kurdirektor Heinz K. auf. Jetzt fanden sich auch etliche Wenningstedter – fast nur neugierige männliche – ein und dann verkündigte der Wahlvorsteher die Ergebnisse. 

Alle wurden ganz still und das war dann für sämtliche Fraktionen der Anlaß, noch eine Runde Bier zu ordern. Die verschiedenen Fraktionen, alle kannten sich ja, und man wußte sowieso, welcher Partei die Nachbarn nahe standen, sie rückten wieder zusammen und während die Stimmung stieg, saßen die Wahlleute am großen Stammtisch beim Abendbrot. Nach jeder Wahl gab es Strammen Max und ein Bier, vom Bürgermeister spendiert.

Leider, und zum Bedauern des Wirts war die Gemeinde irgendwann nicht mehr so spendabel, die Wahlhelfer bekamen statt Vollverpflegung ein „Erfrischungsgeld“, welches sie meisten mit nach Hause nahmen. „Saalmiete“ war in unserem Hause nicht üblich und so lohnte sich der Aufwand nicht mehr. Heute finden Wahlen in Schulen und Turnhallen statt, aber so gemütlich und stimmungsvoll wie damals geht es nicht mehr zu!