Apr 20, 2016
Da ist sie wieder, meine Lieblingsmeile in Wenningstedt. Strand, Wind, Dünen, Holzbohlen.. Und das ganz früh am Morgen, wenn die Sonne aus Osten scheint und der Strand noch ganz leer ist..
Ich freu mich schon, bald barfuß zu spazieren. Hoffentlich kommt der Sommer schnell!
Apr 20, 2016
Im
alten Dorfgasthof – Das “Saisonpersonal”
Ostern begann die
Sommersaison, und das Personal traf im Friesenhof ein. Die meisten
kamen direkt aus den Wintersportgebieten im Süden und traten hier
oben nach einigen Tagen Besuch bei Muttern wieder ihre Arbeit an.
“Stempeln” war nicht üblich. Die Saisonarbeit war hart, und ein
8-Stunden-Tag reichte nicht, so daß man leicht in der Zeit von
März bis Oktober auf die Jahresarbeitszeit eines „normalen“
Arbeitnehmers kam. Auch gab es kein Wochenende von Freitag bis
Sonntag, ein freier Tag war die Regel und der fiel sicher auf einen
Wochentag. Nur für den alten Gärtner Stenemann war es ein
Privileg, am Sonntag nichts zu tun, außer die Hühner zu füttern und
das Schaf zu melken. Sein Tag begann schon im Morgengrauen. Er
verbrachte viele Sommer bei uns und zog im Garten Salat, Gemüse und
Kräuter. Das Säen von Blumen hielt er für überflüssig. Die
jungen Leute waren damals noch genügsam, was die Unterbringung
betraf: in kleinen Kämmerchen unterm Dach mussten sie sich zu zweit
oder dritt einrichten. Geweckt wurde bei uns durch Klopfen mit dem
Besenstiel von unten gegen die Decke.
Die Leute kannten damals anscheinend keine
Schlafstörungen und schlummerten wie die Murmeltiere. Es war ja auch
nicht die Arbeit allein, die Erholung forderte; abends gegen 23 Uhr,
nach Küchenschluß und Umziehen gingen alle ausnahmslos auf die
Piste, und die hieß: „Schwarze Katz“ bei Ebba und Ernst, „Ferien
vom Ich“ mit Harald, zum Tanz in die Strandhalle oder nach Kampen
zur Tenne. Um dort jedoch Einlaß zu finden, mußte man entweder ein
hübsches Mädchen sein oder wohlhabend aussehen. Jeden Nachmittag
eilten wir – bis auf den “Durchdienst”- um 14,30 Uhr, wenn
die Küche geschrubbt und das Lokal aufgeräumt war, an den Strand.
Wir badeten und tobten herum, um dann halb 5 im Eiltempo nach Hause
zu laufen. Um 17 Uhr begann der Abenddienst.
Auch die Zimmermädchen
mussten abends noch einmal in der Küche bis 22 Uhr ran. Die 4 jungen
Kellner trugen Smokings, die manchmal in der Abendsonne glänzten.
Das Küchenpersonal nahm seine Mahlzeiten gemeinsam hinten am
Küchentisch ein, und die Kellner saßen vorn im Restaurant in einer
Ecke. Sie drückten sich dann immer vor Gästen, die ihnen „guten
Appetit“ wünschen und in die Teller gucken wollten. Im Gegensatz
zu heute wurde auch mittags „richtig“ im Restaurant gespeist und
noch vor Mittagsbeginn stürmten die ersten Familien das Lokal.
Um 12
Uhr war das Bonbrett in der Küche voll. Leider konnten wir damals
das Wetter nicht beeinflussen. Ideal wäre gewesen: gutes Wetter am
späten Vormittag, daß die Gäste sich nicht so lange beim Frühstück
aufhielten und schnell fürs Mittagsgeschäft eingedeckt werden
konnte, dann Verdüsterung des Himmels ab halb 12 und wieder
Aufheiterung um 14 Uhr, damit wir an den Strand ziehen konnten. Gegen
16,30 Uhr durfte es wieder fürs Abendgeschäft kühl werden. Unser
langjähriger alter Oberkellner hieß Fiete Maiboom. In der ruhigen
Vorsaison machte er allein Dienst. Der begann morgens 6 Uhr mit
Thekeputzen. Dazu entledigte er sich seines Jacketts und sah mit
den Hosenträgern und der Geldtasche auf dem Rücken wie eine Fliege
aus. Die Ecken polierte er mit einem Bierdeckel. Wenn ein Gast ihn
rief, sagte er manchmal: “komme gleich persönlich!” Das
wurde ein geflügeltes Wort bei uns. Einmal stolperte er mit Geschirr
beladen über den Kokosläufer und stürzte unter einen Tisch. Lange
noch berichtete er, wie ein Messer an seinem Auge vorbeigeflogen war
und die Gäste ihn entgeistert angestarrt hatten. Nach dem
Mittagsgeschäft machte er in einem Sessel ein Nickerchen, und wenn
ihn jemand, der vielleicht nur eine Frage hatte, weckte, sagte er
immer .“ich bin noch ganz bedeppert!"
Alte Bierdeckel
stopfte er immer in den großen Kachelofen. Einmal zündete er das
randvolle Schmuckstück mittags an einem sehr heißen Sonntag an. Das
ganze Lokal lag im Qualm, nur dicht über dem Fußboden war noch
etwas zu sehen und die Gäste flüchteten nach draußen. Die
Speisenkarte tippte er im Zweifingersystem täglich dreimal mit
jeweils 4 Durchschlägen auf einer uralten Schreibmaschine im Saal.
Oft unterliefen ihm in der Eile Fehler: das teure Rinderfilet wurde
zum „Kinderfilet“ und "Brautwurst auf Kraut” brachte
die Gäste zum Schmunzeln. Manchmal gönnte er sich abends im
„Seehund“ einige Bierchen zuviel, dann brachten ihn die Kollegen
nach Hause und bugsierten ihn unter großem Hallo die schmale Stiege
hinauf. Einmal brachen sie -es waren die Schlachtergesellen von
nebenan- das ganze Geländer ab.
Einen
schönen Batzen Geld hatte er sich dann angespart. Ein anderer
Kellner wußte schon am Anfang, wieviel auf der hohen Kante liegen
sollte: “tweidusend Mark mut över sien!” sprach er in
breitem mecklenburger Platt. Sein Kollege Köhler setzte sich oft
beim ruhigen Nachmittagsdienst draußen in die Sonne und wenn ein
Gast kam, kletterte er durchs Fenster wieder hinein.
Manche jungen
Kellner und Köche verließen uns im Herbst mit leeren Taschen-
jedenfalls hatten sie ihren Spaß hier gehabt. Meine Großmutter
achtete immer darauf, daß wir Mädchen vom Lande bekamen, die
konnten noch fleißiger arbeiten, als die aus Flensburg oder Husum.
Eine, sie hieß Erna und war etwas einfach gestrickt, ließ einmal
eine Tasse fallen. Auf Vorhaltungen hin ( unsere Leute mussten
zerbrochenes Geschirr bezahlen) sagte Erna: "de tass is nich
twei, da is ja blots de henk vun aff!“ Als sie einmal mit dem
Fensterputzen nicht vorankam, sagte sie, als meine Großmutter
schimpfte: “denn heff ick woll tweemol dat sölbe putzt!“ Ein
anderes Küchenmädchen hatte einen Schlachtergesellen der
nahegelegenen Fleischerei Frederiksen zum Freund. Wenn die Luft für
seinen Besuch rein war, hängte sie ihren Büstenhalter in der ersten
Etage ins Fenster. Einmal blieb ihr Schatz beim Abstieg mit dem
Hosenträger an einem Mauerhaken hängen. Der Hausmeister mußte
morgens um 6 auf die Leiter und ihn abhaken.
Die Wäsche wurde noch draußen auf
der Wiese getrocknet und gebleicht. Das bedeutete viel Arbeit aber
machte auch Spaß: die Mädchen zogen die Schuhe aus und die Röcke
flatterten im Wind. Das polnische Mädchen Emma brachte meiner Mutter
bei, wie die Wäscheklammen zu setzen waren: "das Luft muß
rein, das Luft muß rein!"
Die Köche waren oft schwierige
Gesellen. Einer hieß Hartmann, Messerwerfen war sein Steckenpferd.
Er zielte immer von innen gegen die Hoftür. Das machte er so lange,
bis plötzlich mein Vater durch die Tür kam… Ein anderer, Dulles
nannten sie ihn, legte sich, wenn er kurz vor 5 vom Strand kam, aufs
Bett und war nur mit Gewalt wieder auf die Beine zu bekommen. Wenn er
um 6 Uhr erschien, lagen schon viele Bestellungen in der Küche und
der Ärger begann. Zwischen Kellnern und Köchen schwelte ein
dauernder Haß. Manchmal flog eine Suppenkelle in die Durchreiche.
Viele
Angestellte haben im Laufe der Jahre bei uns die Saison durchgehalten, und es wurde ihnen oft erst viel später bewußt, welch’ schöne Zeit
sie trotz aller Arbeit auf Sylt verlebt hatten. Etliche kamen immer
wieder, andere sind auf Sylt geblieben und haben sich in der
Gastronomie selbständig gemacht. Einige lernten ihren Lebenspartner
im "Friesenhof” kennen. Manche kamen zum Besuch, um von den
früheren Zeiten zu schwärmen und mehrere wurden in späteren Jahren
zu Gästen.
Niels
Rohde