Niels Rohde – Geschichten von Früher

“Im alten Dorfgasthof”

Der „Friesenhof“ war der Mittelpunkt des Wenningstedter
Dorflebens. 1840 von dem Walfängerkapitän Teunis de Jong in dem
damals schon  100 Jahre alten Bauernhaus gegründet, feierten
Generationen von Wenningstedtern ihre Feste in der Gaststätte und in
dem angebauten Saal. Nach dem Kriege begann langsam wieder das
Geschäft und die ersten Gäste kamen. Meine Großmutter hatte schwer
zu kämpfen. Es mußten jeden Tag mehrere Kachelöfen geheizt werden.
Der Koks lagerte in unserer „Durchfahrt“. Eine Zentralheizung
hatten wir nicht. Die wenigen Gästezimmer waren sehr kalt im Winter.
Die Gäste wuschen sich in einer Schüssel mit eiskaltem Wasser und
im Nachtschrank stand der Nachttopf.

Es
kam vor, daß wir 2 Gäste wohnen hatten: der eine war Vertreter und
wollte um 7 Uhr frühstücken und der andere fand abends nicht ins
Bett und hielt die Wirtin lange auf, bis er endlich nach oben ging,
nicht ohne die Steinhägerflasche -mit heißem Wasser gefüllt und
mit einem Handtuch umwickelt- für die Füße.

In der großen Küche standen zwei Öfen,
der kleine für den Winter- und der große für die Saalgeschäfte
und den Sommer. Unter dem  warmen kleinen Ofen standen 2 Körbe.
Einer mit grobem Holz gefüllt und einer mit Sprickel, und in diesem
lagen auch immer die beiden Katzen Emil und Minka.

Es war wenig los in den Wintermonaten. An
einigen Abenden in der Woche hatte der Gesangverein seine Übungen,
oder die Theatergruppe spielte, oder der Musikverein probte. Wie
haben wir Kinder uns amüsiert, wenn wir heimlich den Damen
lauschten, wie sie in höchsten Tönen schwierigste Stücke einübten!
Der Dirigent hieß Jodel und wollte wohl hoch hinaus. Und Kino gab es
auch 1x die Woche. Die Plakate hingen in einem Schaukasten auf dem
Grundstück des Bürgermeister Schwemer. Die alte Margarethe Milde
war Platzanweiserin und durfte dafür umsonst Kino sehen. Sie war
sehr arm. Der Kinounternehmer hieß Benzelius. Seine Tochter mußte
Ihrem Vater als Kartenabreißerin helfen. Sie hatte aber keine Lust
dazu und sagte eines Tages: “Hoffentlich geht Papa bald pleite!“
Es war ein mühsames Geschäft.

Unsere einheimischen Gäste tranken, wenn
sie zu Gast waren, meistens ihr Getränk:
Willy Spring sen. einen Arrakgrog, der alte Hans Wrede nahm nur
Rumgrog und rauchte dazu immer eine dicke Zigarre. Luzie Voss, die
Wirtin der „Schwarzen Katz‘“ bestellte sich oft einen Piccolo,
den meine Mutter aber im „Römer“ servieren mußte, damit jeder
denken sollte, daß sie Apfelsaft trank. Und Balzer Jansen wollte
partout immer ein kleines Bier, trank dafür aber  zwei und seinen
großen Mercedes parkte er vor unserem Durchfahrttor, sodaß keiner
mehr an ihm vorbeifahren konnte. (Einmal stand die Karosse die ganze
Nacht während des Petritagballs quer vor dem Saaleingang und alle
300 Gäste mußten sich um ihn herum herein- und wieder
herauszwängen).

Oft war Hans Nielsen der einzige Gast. Er
bestellte immer eine Tasse Kaffee. Dann ging meine Mutter in die
Küche, legte einige Sprickel in den Herd und stellte den großen
Kupferkessel, der mit einer Vertiefung ins Feuer ragte, auf. Die
Kaffemühle mit dem Schwungrad war an einen Küchenschrank
geschraubt. Dann wurde 1 Lot Eduscho- Kaffee (60 Bohnen) mit der Hand
gemahlen, die Tasse mit heißem Wasser vorgewärmt, das runde
Filterblatt angefeuchtet und der Kaffee aufgebrüht. War er
durchgelaufen, kippte man ihn zurück und  er wurde noch einmal
gefiltert. Ja, alles war sehr arbeitsaufwendig. Bei großen
Gesellschaften wurde die „dicke Bertha“ zum Kaffekochen genommen:
an den 4 Beinen eines umgedrehten Hockers befestigten wir ein Tuch,
in dem 2 Pfund Kaffe gebrüht wurden. War das eine Arbeit vorher, bis
der Kaffe von Hand durchgemahlen war! Aber alle lobten ihn: meine
Großmutter bewahrte  die Kaffeepakete  ja auch hinter dem warmen
Kachelofen auf! (Der Firma Eduscho  sind wir –zig Jahre treue
Kunden gewesen; in der schlechten Zeit nach dem Kriege schickten sie
uns zu Weihnachten sogar mal eine gerupfte Ente…)

1957 war die erste gute Sommersaison. Wenn
die Inselbahn mit Badegästen ankam, stand unser Oberkellner Fiete
Maiboom vor der Tür und versuchte, die Gäste zum Essen
hereinzulocken. Damals blieben die Urlauber noch 3 oder 4 Wochen am
Stück, heute aber verreisen die meisten mehrmals im Jahr aber dafür
kürzer.

Klein Afrika auf Sylt

Am Wochenende waren wir am Morsum Kliff spazieren. Dieses Gebiet liegt total fernab des alltäglichen Insel-Trubels. Es ist ruhig, man hört nur ein bißchen Geplätscher und piepende Schwalben, die im Kliff nisten, dort kleine Löcher gebohrt haben und emsig Ihre Küken mit Nahrung beliefern. 

Das Kliff besteht aus drei Erdschichten, die drei bis acht Millionen Jahre alt sind. Ursprünglich lagen diese drei Schichten übereinander, wurden in der Eiszeit aber von Gletschern unter ungeheurem Druck aufgebrochen und nebeneinander aufgefächert. Das 1.800 Meter lange und bis zu 21 Meter hohe Kliff war bereits 1923 als eines der ersten Gebiete auf Sylt und sogar in Schleswig-Holstein unter Naturschutz gestellt worden.

Und: Wenn man unten ums Kliff herzumgewandert ist, kommt man nach “Klein Afrika”, einer Mini-Wüstenlandschaft. Das Dünental wird so genannt, weil in der windgeschützten Mulde an manchen Sommertagen die höchsten Temperaturen auf der Insel gemessen werden.

Es muß nicht immer Strand sein …