Unbarmherzig brannte die Sonne vom Himmel, als wir in
einem klapperigen Bus durch die Wüste Richtung Elat am Golf von
Aqaba rasten. Der Fahrer hatte ein schußbereites Gewehr vor sich auf
den Knien liegen. Es war im Jahre 1959, und häufig gab es Überfälle
auf Reisende in dem menschenleeren Gebiet. Im Hafen von Eilat lag die
„Pelion“, mein erstes Schiff, auf dem ich als Decksjunge die
heißersehnte Seemannslaufbahn beginnen sollte. Die „Pelion“ war
ein älterer heruntergekommener Frachter auf Trampfahrt. Er gehörte
der Reederei Laeisz und war an die israelische Zim-Line verchartert.
Der Ort Elat bestand damals nur aus einer kleinen Anzahl primitiver
Hütten. Viele der Männer liefen bewaffnet herum und der Hafen war
schwerbewacht, denn mehrmals gab es Angriffe vom nahen Jordanien auf
den Hafen. Von hier besteht die einzige Wasserverbindung von der
Südseite Israels durch den Golf von Aqaba ins Rote Meer. Da lag nun
mein Schiff, auf dem ich 13  Monate mit allerlei verwegenen Burschen
verbringen sollte! Der zweite Mann in meiner Kammer war ein junger
Schwarzer, kam aus Dar es Salaam und hieß Mauridi Lajambo. Er
arbeitete als Deckshand an Bord und sprach ein wenig Plattdeutsch.
Unsere Kammer maß neben den schmalen Kojen weniger als 2 qm. Es war
gar nicht so einfach, die lange Zeit auf so engem Raum
zusammenzuleben!

So machten wir etliche Reisen von Israel an die
ostafrikanische Küste, Madagaskar, Mauritius bis Kapstadt, beladen
mit Zement, Spielzeug, Herrensocken und Bonbons in großen Säcken
und kamen mit Kaffee, Rundstahl, Tierfellen und getrockneten
Kokosnüssen wieder zurück.Es war kurz vor Weihnachten als wir „heimwärts“
nach Israel die Stadt Massaua in Äthiopien am Roten Meer anliefen,
um hier Fracht zu laden. Dies sollte mein erstes Weihnachtsfest so
weit weg von zu Hause sein- und das an einem Ort, der zu den
heißesten der Welt gehört. Und nun kam es so, daß wir Heiligabend
auslaufen sollten. Die ganze Besatzung war nicht gut auf den Kapitän
zu sprechen: abgesehen davon, daß er ein grantiger Kerl war, schon
angeschlagen durch 2 Jahre Afrika, hatte er nichts unternommen, um
seinen Leuten ein wenig Weihnachtsstimmung zu bereiten. Wir mußten
noch abends hart arbeiten, das Schiff seeklar machen und dabei war
die Hitze schier unerträglich. Ab und zu holten wir uns aus der
Mannschaftsmesse ein paar trockene Kekse, die der jämmerliche Koch
doch noch gebacken hatte. Dann hieß es: „Klar vorn und achtern!“
Wir gingen auf das Vorschiff, um die Leinen loszumachen und es war
genau 24 Uhr. Das Schiff löste sich langsam von der Pier und wir
glitten durch den Hafen in die Nacht. Und plötzlich:
Weihnachtslieder, heimatliche Klänge, „Stille Nacht“ hallte es
laut über den ganzen Hafen, „Oh, du fröhliche“. Wir saßen auf
den Pollern und waren im Innersten gerührt, „Es ist ein Ros‘
entsprungen“. Der Himmel war ganz klar, wir passierten die Mole und
die Matrosen hatten Tränen in den Augen. Der Hafen blieb zurück,
die Lieder verklangen und unsere Gedanken waren bei den Lieben weit
weg in der Heimat.

So hat uns der „Alte“, unser Kaptän Scholz doch
noch eine große Freude bereitet. Es sollte noch einige Monate
dauern, bis ich abgelöst wurde und wieder nach Hause fliegen konnte.
Inzwischen war ich im zweiten Lehrjahr, hieß nicht mehr „Moses“,
sondern durfte mich „Jungmann“ nennen. Diese lange Reise und der
Weihnachtsabend in Afrika wird mir unvergessen bleiben.

Niels Rohde